Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom






Historisches zum ADS

In der Geschichte vom Zappelphilip wurde dieses Syndrom bereits 1845
von dem Frankfurter Nervenarzt und Schriftsteller Dr. Heinrich Hoffmann beschrieben.

Im Jahre 1902 beschrieb der englische Kinderarzt George F. Still Kinder mit motorischer Unruhe, eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und aggressiven Ausbrüchen (Still-Syndrom).

Die ersten Vermutungen über eine Hirnschädigung als Ursache motorischer Unruhe entstanden 1920.

Der Begriff „hyperactivity“ wurde erstmals um 1935 in der Literatur erwähnt und ist mit Begrifflichkeiten wie Hirnverletzung bzw. Hirnschädigung nahe zu gleichgesetzt worden.

In den 60er Jahren bezeichneten Mediziner die motorische Unruhe nicht nur als Hyperaktivität, sondern auch als eine Form der Aufmerksamkeitsstörung. Allerdings ging man dazu über, den Begriff der Dysfunktion zu verwenden, da eine Funktionsstörung vorübergehender Natur sein kann und sich nicht auf einen Defekt festlegt.

So entstand Mitte der 60er Jahre der Begriff
„minimal cerebral dysfunktion“(MCD)

Auffälligkeiten unterschiedlichster Art wurden nun mit dem Begriff „Syndrom“ bezeichnet, so dass „HKS“ mit all seinen Einzelsymptomen zum Teil bis heute das verhaltensauffällige Kind schlechthin umschreibt.

Parallel dazu wird seit Beginn der 80er Jahre das Störungsbild im deutschen Sprachraum unter dem Begriff
„Aufmerksamkeitsdefizit-Störung“(ADS)
zusammengefasst.



Kardinalsymptome

  • Unaufmerksamkeit
  • Hyperaktivität
  • Impulsivität

  • werden nahezu regelmäßig sowie weit häufiger und ausgeprägter als bei klinisch unauffälligen Kindern beobachtet
  • treten gemeinsam oder getrennt auf, d.h.
  • Unaufmerksamkeit ohne motorische Unruhe oder Impulsivität oder
  • motor. Unruhe und Impulsivität ohne typische Symptome der Unaufmerksamkeit




Unaufmerksamkeit
Primär mangelnde Aufmerksamkeitsorientierung und Zielgerichtetheit
Beispiele:

  • Kinder haben Schwierigkeiten, Einzelheiten zu beachten
  • Sie können nur kurz bei einer Sache verweilen
  • Sie wenden sich schnell neuen, vermeintlich interessanteren Dingen zu, verlieren ihr Ziel aus den Augen
  • Sie bringen dadurch Aufgaben häufig nicht zu Ende
  • Sie können sich nur schlecht organisieren und wirken deshalb sprunghaft, unstet, ablenkbar
  • Sie erscheinen ebenso als unordentlich, unzuverlässig und vergesslich
  • und entwickeln Abneigung gegen länger andauernde geistige Anstrengung



Hyperaktivität
Ist gekennzeichnet durch motorische Unruhe der Kinder
Beispiele:

  • nicht ruhig sitzen und beschäftigen können
  • Sie zappeln und rutschen auf dem Stuhl hin und her
  • laufen in der Klasse herum
  • tollen übermäßig herum
  • Sie erscheinen meist als untriebig, ungesteuert und wie „aufgezogen“
  • Sie zeichnen sich durch eine geradezu eskalierende Unruhe sowie übermäßigen Rededrang aus




Impulsivität
Primär: das vorschnelle und unbedachte Verhalten
Beispiele:

  • Kinder platzen oft mit einer Antwort heraus, bevor eine Frage vollständig gestellt wurde
  • in sozialen Situationen als auch beim Bearbeiten von Aufgaben reagieren sie oft voreilig (folglich unterlaufen ihnen gehäuft Fehler und erleben Misserfolge)
  • In der Gruppe können sie nur schwer abwarten bis sie an der Reihe sind
  • durch ihr impulsives Verhalten unterbrechen oder stören sie andere
  • in Folge dessen verstoßen sie auch oft gegen Regeln (z.B. im Unterricht, Gruppenspiele, Essen, Familienbesuche), was ihnen Missbilligung und Ablehnung einbringt
  • ferner neigen sie zu gefährlichen und unbedachten Aktivitäten (z.B. riskante Klettereien, Spiel mit Feuer, risikoreiches Verhalten im Straßenverkehr)



1. Das Krankheitsbild des ADS
Symptome Defizite/Störungen Folgen/Probleme
Aufmerksamkeits-
störung
Wahrnehmung
Aufnahme
Konzentration
Kommunikation
Leicht und rasch ablenkbar, häufiges
gedankliches abdriften,
Lernschwierigkeiten, keine Ausdauer
Sprunghaftigkeit, keine Konzetration
auf Sachen / Personen
Hyperaktivität
(psychomotorischer
Prozess)
Aktivitätswechsel
Gestörte Feinmotorik
Patient ist unruhig, aber nicht zappelig,
muss ständig in Bewegung sein, etwas
tun, anfassen,
eckiger, staksiger Bewegungsablauf,
Ungeschicklichkeit, Tölpelhaftigkeit
Impulsivität
(emotionaler Prozess)
Kontrolllosigkeit (bezüglich Qualität und
Intensität)
Stimmungswechsel
(Aggression / Depression)
Sozialverhalten
Vorgehen, Abläufe
(unstrukturiert)
Spricht, handelt, reagiert auf Basis des
ersten Impulses, kein Nachdenken oder
Abwägen, Verhalten nicht situations-
gerecht
Gefühlsreaktion heftig, unerwartet
Keine Akzeptanz von Regeln /
Vorgaben
Vergesslichkeit, Leistungsdefizite


2. Abgrenzung vom lebhaften zum hyperaktiven Kind
Kriterium Lebhaftes Kind
(altersgemäß)
HKS-Kind
(nicht altersgemäß)
Konzentration
Sinneserfahrungen
Teilleistungsstörung
Soziale Reife
Normal
Normal
Keine
Ungestört
Stark eingeschränkt
Stark eingeschränkt
Mehrer
Zurückgeblieben



Problemsituationen für aufmerksamkeitsgestörte Kinder
und deren Begleit- und Folgeprobleme



Primär: wenn längere Aufmerksamkeitsspannen, sowie zielgerichtet Fähigkeiten verlangt werden, z.B.

  • in der Schule
  • bei den Hausaufgaben
  • bei sozialen Anforderungen (z.B. Essen, Besuch, Gruppenaktivitäten)

Das Verhalten aufmerksamkeitsgestörter Kinder ist in diesen Situationen meist erwartungswidrig.
Es entspricht weder dem, was in den gegenwärtigen Situationen erforderlich ist, noch dem Verhalten Gleichaltriger.

Dieses Verhalten führt zwangsläufig zu Begleit -und Folgeerscheinungen

z.B.

  • Beeinträchtigung der Schulleistungen
  • bei Bezugspersonen
  • bei Gleichaltrigen
  • in der Eigenwahrnehmung – Selbstbild
  • in der Erziehung




Schule/Schulleistungen
Aufmerksamkeitsgestörte Kinder zeigen in wesentlichen Bereichen Minderleistungen im Vergleich zum unauffälligen Schüler.
Nach Mc. Gee und Share weisen etwa 50% dieser Kinder allgemeine Lernstörungen auf.

Dies führt dazu,

  • sie erhalten schlechtere Schulnoten
  • lernen schwerer Lesen und Schreiben
  • ca. 40% dieser Kinder haben eine Lese –Rechtschreibschwäche
  • haben eher Schwierigkeiten beim Rechnen
  • wiederholen häufiger eine Klasse
  • erreichen zumeist schlechtere Lern –und Ausbildungsergebnisse

Gründe dieser Minderleistungen/Lernstörungen/Lernschwierigkeiten sind:

  • eine ungünstigere Arbeitshaltung der Kinder bzw. soziale Konflikte
  • und insbesondere eine unmittelbare Lernbeeinträchtigung durch Defizite (Störungen) der sensorischen Integration wie z.B.
  • motorische Ungeschicklichkeit (defizitäre Entwicklung der Grob/Feinmotorik)
  • der visuellen und auditiven Wahrnehmung
  • Sprachentwicklungsprobleme usw.



Beurteilung durch Bezugspersonen
Das auffällige Verhalten wird von den unmittelbaren Bezugspersonen (Eltern, Geschwister, Gleichaltrigen, Lehrern) zumeist nicht als Störung im klinischen Sinn gesehen.









Interpretation von Bezugspersonen Wahrnehmung der Bezugspersonen
- Ungezogenheit
- Disziplinlosigkeit
- fehlender guter Wille
- Rücksichtslosigkeit
- im Mittelpunkt stehen wollen
- die Kinder werden als störend, unreif,
unangepasst wahrgenommen
- nicht gruppenfähig, verspielt, verzögerte Entwicklung,
eingeschränkte Lernfähigkeit
- wegen schulischer Minderleistungen werden ihnen oft Merkmale
im Sinne des Stereotyps des „schlechten Schülers“ zugeschrieben




Umgang mit Gleichaltrigen
Andere Kinder erleben den Kontakt mit einem aufmerksamkeitsgestörten Kind als wenig positiv

  • so dass sie den Kontakt meiden
  • oder es (instrumentell) für Störungen „nutzen“ (z.B. im Unterricht)

Die Zurückweisung durch Gleichaltrige ist häufig rigoros und durchgängig zu beobachten.
Deshalb sind die betroffenen Kinder

  • oft isoliert
  • neigen deshalb zu unkontrollierten, expansiven Verhaltensweisen (z.B. Aggressivität, Disziplinlosigkeiten, negatives Sozialverhalten, Verletzung sozialer Normen), welche den Teufelskreis ihrer Problematik weiter verschärfen




Erziehung

Eltern klagen meist über

  • Trotzverhalten
  • Ungehorsam (Regelverstöße)
  • Wutausbrüche, Aggressivität
  • Geschwisterrivalität
  • gefahrvolles und unbedachtes Verhalten (folglich gehäufter Unfälle)
  • sich in sozialen Situationen konkurrierend auseinandersetzen (Anregung suchen, mit ebenfalls schwierigen Kindern Cliquen bilden usw.)

Diese Ausgangslage führt dazu, dass

  • das Verhalten des aufmerksamkeitsgestörten Kindes als aversiv erlebt wird.
Daraus können sich familiäre Konflikte entwickeln (z.B. Beziehungs-
schwierigkeiten zu Eltern und/oder Geschwister)

  • sich die Erziehungsverantwortung der Eltern deutlich erhöht
  • insbesondere ist hier meist die Mutter belastet
  • durch die hohe Belastung der eskalierenden Verhaltensschwierigkeiten werden
oft ungeeignete Erziehungsstile begünstigt

  • Überreaktionen
  • verringerte Anleitung zu positivem Verhalten
  • bestrafende (und kontrollierende) Interaktionen




Selbstbild
Primär aufmerksamkeitsgestörte Kinder haben eher ein negatives Selbstbild
bedingt durch

  • die Erfahrungen mit sich selbst und den Reaktionen anderer Personen
  • ein vermindertes Selbstwertgefühl (wird aber oft kaschiert durch betont offensives Verhalten, Aggressivität, großspuriges Auftreten)
  • sie unterliegen großen Stimmungsschwankungen
  • haben eine niedrige Frustrationstoleranz oder Wutausbrüche

Dadurch verschärfen sich die Verhaltensschwierigkeiten aufmerksamkeitsgestörter Kinder
mit dem Fortbestehen der Störung.

Längsschnittstudien belegen zunehmend negativere Auswirkungen dieser grundlegenden
Schwierigkeiten bis hin zur ernsthaften Beeinträchtigung der schulischen und sozialen Entwicklung



Psychosoziale Probleme
Eine Aufmerksamkeitsstörung kann durchaus auch zusammen mit psychosozialen Belastungen
und Problemen im Umfeld das Kindes auftreten.

Als solche gelten:

  • Tod eines Familienmitgliedes
  • gesundheitliche Probleme in der Familie
  • Trennung der Eltern
  • Wiederverheiratung eines Elternteil
  • erhebliche Erziehungsmängel (Vernachlässigung)
  • Streit mit Geschwistern
  • wirtschaftliche Probleme
  • Konflikte mit Lehrern

Wichtig: Diese Belastungen beeinflussen natürlich die Diagnose, Therapie und
Prognose der Störung, da es sich hier nicht um ein klinisches
Erscheinungsbild handelt.



Geschlechterverteilung
  • Bei Jungen wird 4 – 9mal häufiger ADS diagnostiziert
  • Dies bestätigt u.a. eine epidemiologische Studie.
Almquist ermittelt von 600.000 Jungen und Mädchen im Alter von 8 – 9 Jahren
bei 11,3% der Jungen
und 2,9% der Mädchen eine Aufmerksamkeitsstörung

  • Bei klinischen Populationen ist der Anteil der Jungen noch größer und kann ein Verhältnis von 9 : 1 erreichen.

Als Gründe hierfür gelten:

  • eine biologische – genetische Disposition zu expansiven Verhalten bei Jungen
  • eine höhere Toleranz gegenüber auffälligem Verhalten bei Mädchen
  • eine stärkere Beachtung von Jungen in der Forschung
  • weil Mädchen über größere Hemmmechanismen verfügen

Allgemein:

Unterschiede bezüglich Kindern aus der Stadt und aus ländlichen Gebieten waren nicht signifikant festzustellen.



Diagnosekriterien
1. Beginn der Symptomatik

  • Erstmals tritt das ADS bei Kindern vor dem siebten Lebensjahr auf
  • wobei das Verhalten häufig als natürlicher Aktivitätsdrang mit hoher Originalität fehlinterpretiert wird.
  • Erst im Kindergarten und später in der Schule, bedingt durch steigernde Leistungsanforderungen, wird das ADS schließlich evident, da vermehrt Beeinträchtigungen und Schwierigkeiten entstehen.

2. Symptome

Um eine Aufmerksamkeitsstörung zu diagnostizieren, müssen der
Facharzt, Eltern und Lehrer eine bestimmte Anzahl von speziellen
Verhaltensauffälligkeiten bestätigen. Wichtig ist, dass diese Merkmale

  • seit sechs Monaten regelmäßig (beständig) beobachtet werden,
  • nicht mit dem Entwicklungsstand des Kindes zu vereinbaren sind und
  • als unangemessen zu beurteilen sind.
  • In mehreren Lebensbereichen auftreten (Schule, Freizeit, mit Gleichaltrigen)

Zur klinischen Beurteilung werden neben den Diagnosechecklisten,
Testverfahren und Fragebögen nach „Klein“ oder „Conners“ benutzt



Allgemeine situationsspezifische Verhaltensweisen

  • Probleme stärker bei fremdbestimmten, weniger bei selbstbestimmten Tätigkeiten
  • Schwierigkeiten eher unter unstrukturierten Bedingungen als bei genauer Anleitung
  • Bei unmittelbarer Belohnung, Verhalten zielbezogener und weniger fehlerhaft
  • In neuen, spannenden Situationen haben sie weniger Schwierigkeiten als in solchen, die bereits ihren Reiz verloren haben
  • Vor allem Schwierigkeiten bei Daueraufmerksamkeit, weniger bei kurzzeitigen Aufmerksamkeitsleistungen
  • Probleme besonders dann groß, wenn zeitlich weit auseinanderliegende Anforderung bei einer Aufgabe beachtet werden sollen
  • es fällt schwer Dinge zu teilen oderabzuwarten bis man an der Reihe ist
  • Bei Anwesenheit des Vaters ist ihr Verhalten zumeist weniger problematisch als wenn sie mit der Mutter allein sind
  • Verhalten weniger durch wirkliche Störungen, eher durch wenig regelhaftes Verhalten gekennzeichnet
  • Reagierung bevorzugt auf hervorstechende Merkmale innerhalb einer Aufgabe und vernachlässigen die subtilen, jedoch lösungsrelevanten Bestandteile daran
  • Aufmerksamkeit besser und größer bei interessanten und reizvoll gestalteten Arbeitsmaterial und abwechslungsreicher Anforderung.

Ihre Schwierigkeiten zeigen sich also bevorzugt dann, wenn Stetigkeit,
Selbststeuerung, Impulskontrolle und Bedürfnisaufschub gefordert sind.



Langzeitentwicklung und Prognose
Aufmerksamkeitsstörungen gehören zu den Problemen, die häufig überdauernd sind,
eher ungünstig verlaufen und somit die langfristige Entwicklung eines Kindes
erheblich beeinträchtigen.

Sie werden geradezu als Entwicklungsgefährdung charakterisiert, weil aufmerksamkeitsgestörte Kinder

  • wichtige normative Anforderung nicht erfüllen (z.B. Regeln einhalten)
  • sogenannte Entwicklungsaufgaben nicht bewältigen (z.B. Lernleistungen erbringen)
  • zentrale und entwicklungsrelevante Kompetenzen nicht erlernen (z.B. Lernkompetenz, soziale Konflikte regeln)
  • eher von förderlichen Sozialkontakten ausgeschlossen sind (z.B. Gleichaltrigenkontakte)
  • eher von Selektionsmaßnahmen betroffen sind (z.B. Wiederholen einer Klasse)

Aufmerksamkeitsstörungen beeinträchtigen also die Entwicklungsvoraussetzungen
eines Kindes und stehen dadurch oft am Beginn eines negativen Entwicklungsverlaufes.
Deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass sie im Zuge von Reifungs- und
Entwicklungsprozessen verschwinden.



Neurobiologische Faktoren
Bisher durchgeführte neurophysiologische Untersuchungen lassen vermuten,
dass auf genetischer Basis eine Dysfunktion der Katecholamine im
fronto-striatalen System vorliegt.
Hierbei ist das Dopamin und Noradrenalin betroffen.

Dies führt zu Beeinträchtigungen










Dopamin
- der motorischen Kontrolle
- der Impulsivität
- der Reizwahrnehmung
- der Reizverarbeitung
Noradrenalin
- der visuellen Regionen
- der auditiven Regionen
- der somatosensorischen und
- der motorischen Regionen

Man vermutet, dass zu wenig Dopamin im synaptischen Spalt vorhanden ist.
Das heißt, dass
  • ständige, ungefilterte neue Informationen die Informationsverarbeitung im Arbeitsgedächtnis stören
  • somit ist ein Abgleich mit bereits gemachten Erfahrungen (die im LZG gespeichert sind) nicht oder nur erschwert möglich

die Folge ist,
  • dass die Handlungsplanung wenig vorausschauend ist
  • Daueraufmerksamkeit, Motivationsaufbau und ausgeglichene Emotionen behindert werden.

Wirkungsweise einer Pharmakotherapie allgemein

  • die erhöhte Konzentration von Dopamintransportern im Striatum nimmt deutlich ab
  • dadurch erhöht sich die Konzentration von Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt
  • somit können sich die Kinder besser organisieren, da die adäquate Reizfilterung (z.B. Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden) durch das Medikament ermöglicht wird.



Pharmakotherapie
IIn der pharmakologischen Behandlung von Kindern mit ADS stehen momentan
Substanzen der ersten sowie zweiten Wahl im Vordergrund










Substanzen der ersten Wahl Substanzen der zweiten Wahl
- Methylphenidat (Ritalin, Medikinet) - Amphetamin
- Pemolin


Methylphenidat
ist das klinisch wirksamste und am meisten verordnetste Psychostimulanz

Wirkung:
  • Effekte treten bereits nach kurzer Zeit ein
  • halten sich etwa 3 – 4 Stunden auf hohen Niveau
  • Halbwertszeit beträgt 2,5 – 4 Stunden
  • Individuell lassen die klinischen Wirkungen nach 3 – 7 Stdn. nach

Die Dosierung richtet sich nach Körpergewicht
und erwünschten klinischen Effekt.
Grundsätzlich gilt, die Dosierung so gering wie möglich zu halten.


Klinische Wirkungsweise
(bezogen auf die Informationsverarbeitung)
  • relevante Reize werden von Kindern schneller aufgenommen
  • die Leistung des KZG wird optimiert
  • vorhandenes Wissen wird schneller abgerufen (LZG)
  • Reaktionszeiten auf visuelle und auditive Signale werden kürzer


Damit erreichte Verbesserungen









quantitativ qualitativ
- bessere Leistungskontinuität
- geringere Ablenkbarkeit
- erhöhte Sorgfalt
- genaueres Befolgen von Instruktionen




Eine messbare Verbesserung der Denkleistung durch Methylphenidat wird ausgeschlossen.

Wann soll eine medikamentöse Behandlung durchgeführt werden? Evtl a. L.

1. Wenn eine starke Ausprägung des ADS vorliegt
(z.B. erhebliche Probleme in der Schule oder in der Familie, welche die
Entwicklung des Kindes stark gefährden)

2. Wenn sich die ADS-Auffälligkeiten durch andere Maßnahmen / Therapie-
formen nicht hinreichend vermindern lassen

Nebenwirkungen bei Stimulanzientherapie

Meist nur zu Behandlungsbeginn, z.B.

  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Appetitminderung
  • Einschlafstörungen
  • evtl. Herzfrequenzsteigerung
  • mäßige Blutdruckerhöhung
  • Bei etwa 2-3% ist mit einer Erhöhung der Leberenzyme zu rechnen, dann ist
die Therapie vorsichtshalber abzubrechen



Andere Therapien
  • Diverse Diätbehandlungen erfreuten bzw. erfreuen sich einer nicht gerechtfertigten Beliebtheit
  • Alle seriösen Studien/Untersuchungen hinsichtlich deren Wirksamkeit waren fast ausschließlich negativ
  • In wenigen Einzelfällen konnten beschränkte Wirkungen erzielt werden.
  • Grundsätzlich wird die Durchführung von Diäten nicht empfohlen




Additivafreie Diät

  • d.h. ohne Farb-, Aroma- und Konservierungsstoffe, bekannt unter der „Feingoldhypothese“
  • Viele Anhänger trotz enttäuschender Studien
  • Theorie schon fraglich, da z.B. Farbstoffe die Blut-Hirn-Schranke überhaupt nicht passieren können



Phosphatarme Diät

  • bekannt unter „Phosphathypothese“ von Hafer
  • Senkung des Serumphosphatspiegels durch Diät ist praktisch nicht möglich, es sei denn mit dem Risiko von gesundheitlichen Schäden
  • klinische Symptome bei Phosphatverlust
  • Anorexie, Knochenschmerzen, Muskelschwäche und Unwohlsein
  • medikamentenunterstützende Diät führt evtl. zu Nierenschäden
  • Hinweise auf Wirkung bezüglich ADS-Symptome konnten in kontrollierten Studien nicht gefunden werden



Oligoantigene Diät

  • bekannt unter der „Allergie-Hypothese“ von Egger, d.h. jedes Nahrungsmittel kann Verhaltensstörungen auslösen
  • 3 bis 4 Wochen strenge und einschneidende Diät mit inerten (untätig, Reaktion nicht beeinflussend) Nahrungsmitteln, dann sukzessive Wieder einführung der anderen Nahrungsmittel
  • die Diät ist kaum praktikabel, da sie sehr umständlich, aufwendig, kostspielig und sozial einschneidend
  • um Fehlernähung zu vermeiden, ist eine ärztliche und diätische (Diätassistentin) Begleitung nötig



Sonstiges
  • Zuckerhypothese konnte in keiner Weise bestätigt werden und ist schon in der Theorie mangelhaft
  • Was die Beziehung von allergischen Reaktionen und zentralnervösen Prozessen betrifft, befindet man sich heute noch auf dem Boden von Spekulationen
  • eine kleine Minderheit spricht bei oligoantigener Diät positiv an
  • Langzeiteffekte wurden bisher noch nicht erhoben, die Gefahr der Mangelernährung besteht
  • Kinder welche eigenständig eine aufwändige Diät korrekt durchführen, sind wahrscheinlich auch keine ADS´ler
  • Unverträglichkeiten verändern sich in der Entwicklung
  • Gesunde Mischkost ist die momentan beste Empfehlung




Zusammenfassend

  • ADS entsteht nicht in Folge von Erziehungsdefiziten, durch Umwelteinflüsse oder Ernährung
  • ADS ist eine biologisch begründbare Erkrankung
  • Auch eine nicht medikamentöse Therapie kann Teilerfolge erzielen
  • Die medikamentöse Therapie mit Psychostimulanzien ist heute das Fundament des mehrdimensionalen Therapiekonzeptes
  • Bei der Mehrzahl der Kinder mit ausgeprägten ADS-Störungen ist die medikamentöse Behandlung wirkungsvoll
  • eine genaue Überprüfung in einem kontrollierten Behandlungsversuch durch den Facharzt ist unbedingt erforderlich
  • nur wenn positive Effekte durch den Arzt, Eltern, Therapeuten und Lehrer nachgewiesen werden können, ist eine medikamentöse Behandlung gerechtfertigt
  • eine begleitende verhaltenstherapeutisch unterstützende Therapie (z.B. Ergotherapie) ist notwendig, da diese
  • potenzierend wirkt, sie hilft positive Effekte aufrechtzuerhalten und zu fördern
  • erkannte Probleme und Defizite der Wahrnehmung, des Sozialverhaltens und des Lernens lassen sich leichter auffangen und behandeln
  • Je früher die Probleme erkannt und beachtet werden (Kleinkind, Vorschulalter), desto wirksamer ist eine Behandlung (auch ohne Stimulanzien ist in diesem Alter eine Verbesserung durch eine angemessene Therapie zu erreichen)



ADS und Ergotherapie

Eine wesentliche Aufgabe der Ergotherapie ist eEine wesentliche Aufgabe der Ergotherapie ist es,

  • die Handlungsfähigkeiten von Kindern zu unterstützen
  • informationsverarbeitende Prozesse zu fördern wie z.B.
  • Aufmerksamkeit
  • innere Wachheit
  • Gedächtnis
  • Motivation
  • Organisation/Planung
  • die Behandlung von komorbiden Störungen
z.B.
  • Körperwahrnehmung
  • der grob- feinmotorischen Koordination
  • der visuellen und auditiven Wahrnehmung
  • des Sozialverhaltens
  • des Selbstbewusstseins
  • und die Eltern (Bezugspersonen) mit einzubeziehen




Therapiekonzept

  • ausführliche Anamnese
  • ergotherapeutische Befundung der
  • motorischen Entwicklung
  • visuellen und auditive Wahrnehmung
  • Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Verhalten
  • Beratung der Eltern und Bezugspersonen




Therapiegestaltung

Förderung der Auffälligkeiten je nach Bedarf durch Einzel- oder Gruppentherapie.


Spezielles ADS-Training mit Kinder
z.B. nach Lauth und Schlottke

Kompetenzvermittlung an das Kind

  • Eigenständiges Steuern von Handlungen
  • bedachtes und planvolles Herangehen an Aufgaben und Probleme
  • selbstständiges Organisieren von eigenen Handlungen
  • Selbstreflexion bei Handlungen

Voraussetzungen für Therapie

  • Es werden störungsspezifische Therapieschwerpunkte gesetzt
  • Die Kompetenzen werden von einfachen zu zunehmend komplexeren und
danach alltagsnahen Anforderungen hin erweitert
  • Eine aktive Beteiligung des Kindes
  • Die Therapie wird als Erfolgstherapie gestaltet
  • Einbindung der Bezugspersonen

Ziele des ADS-Training

  • Vermittlung von handlungsrelevanten Wissen über ADS-Kinder
  • Einüben von Basisfertigkeiten
  • genau hinschauern
  • genau hinhören, zuhören
  • Wahrgenommenes genau wiedergeben
  • Ausbilden von Reaktionsverzögerung (nachdenken, prüfen)
  • Steuerung des Aufmerksamkeitsverhalten durch verbale Selbstanweisung




Umgangsformen mit ADS-Kindern zuhause und in der Schule

  • Ruhe und Gelassenheit (soweit es möglich ist)
  • klare Signale (d.h. nicht lächeln, wenn geschimpft wird)
  • klare einfache Formulierungen, keine komplizierten Sätze und Wörter
  • Anweisungen, die sich immer nur auf einen Auftrag beschränken
  • weniger Reden, mehr führen
  • anfassen bei Ansprache; in die Augen schauen, an den Schultern anfassen
  • positives Verhalten verstärken
  • einfache und klare Regeln einführen
  • bei Regelübertretungen vorwarnen
1-2-3-Regeln; zweimaliges Vorankündigen einer Situationsveränderung,
damit das Kind sich darauf einstellen kann, beim Dritten Mal ausführen

  • Auf der Einhaltung bestimmter Regeln bestehen; daher vorher gut überlegen, welche Regeleinhaltung konsequent verfolgt werden soll. Leichte Abweichungen können ruhig auch mal übersehen werden.
  • In der Situation handeln, nicht später
  • einfache Verträge mit dem Kind aushandeln
  • Arbeit strukturieren; Hilfe beim Wochenplan z.B. da das Kind mit der selbständigen Bearbeitung überfordert sein kann
  • Gemeinsam mit den Eltern darauf achten, dass im Ranzen Übersicht und Ordnung herrscht und eingehalten wird
  • Dem Kind helfen, auf Ordnung am Platz zu achten und evtl. gemeinsam aufräumen
  • Bewegungsdrang kanalisieren; tägliche Bewegungsangebote tragen dazu bei, wie z.B. Hilfsdienste übernehmen, kleine Botengänge, Blumen gießen, Milch holen etc.



Literaturliste

Ratgeber Hyperkinetische Störungen
ISBN 3-8017-1374-1

Hilfen für den Zappelphilipp
Bernau, S. (1997). 3. Auflage. Freiburg: Herder

Wackelpeter und Trotzkopf
Döpfner/Schürmann/Lehmkuhl (2000). Information für Betroffene, Eltern, Lehrer u. Erzieher.
1. Auflage. Göttingen: Hogrefe

Hilfen für hyperaktive Kinder und ihre Eltern
Eichelseder, W. (1998). 5. Auflage. Weinheim: Beltz.

Zappelphilip Störenfried
Hartmann, J. (1997). 6. Auflage.
München: Beck´sche Verlagsbuchhandlung.

Rastlose Kinder, rastlose Eltern
Lauth. W., Schlottke, P. & Neumann, K. (1998).
München: Deutscher Taschenbuch Verlag

Das hyperaktive Kind und seine Probleme
Neuhaus, C. (1998). 4. Auflage.
Berlin: Urania-Ravensburger.

Musst du dauernd rumzappeln?
Schäfer, U. (1998). Göttingen: Huber.

Leben mit hyperaktiven Kindern
Krause, J. (1996). 2. Auflage. München: Piper